Das Genre des Thrillers wird durch eine Reihe von Erzähltechniken definiert, die auf Verstärkung der emotionalen Beteiligung und der Identifikation des Zuschauers ausgerichtet sind. Meist muss sich der Held gegen moralische, seelische oder physische Gewalteinwirkung durch seinen Gegenspieler behaupten. Während Kriminalgeschichten die Aufklärung eines Verbrechens behandeln, sind es im Thriller die eskalierenden Gefahren.
Die Helden
Oftmals ist der Held mit psychischen oder physischen Handikaps ausgestattet („Das Schlafzimmerfenster“), der Täter agiert intelligent, skrupellos und brutal. Der Held als potenzielles Opfer. Am Ende erfolgt seine Rettung oder auch die anderer Personen („Fenster zum Hof“). Thriller können auch ein offenes („Der fremde Sohn“) oder dramatisches Ende haben („Road to Perdition“).
Thrillerautoren
Bedeutendster Vertreter des Thrillergenres im Spielfilm ist Alfred Hitchcock. Sein Lieblings-Erzählmotiv war „Unschuldig Beschuldigt“ (z.B. „Der unsichtbare Dritte“). Die bedeutendste Thrillerautorin ist Patricia Highsmith. Aus einer Zusammenarbeit der beiden entstand der Psychothriller „Der Fremde im Zug“ von 1951. Das Drehbuch schrieb Raymond Chandler.
Subgenres
Wenn der Suspense im Vordergrund steht und sich die Bedrohung vornehmlich im Kopf abspielt, spricht man von Psychothrillern. Weitere Subgenres sind der Spionagethriller, der Gangsterthriller und Politthriller. Eine gleichberechtigte Mischung aus Thriller und Komödie bezeichnet man als Thrillerkomödie („Midnight Run“), dementsprechend ist der Mix aus Thriller und Drama ein Thrillerdrama („Tödliche Entscheidung“).
Erzählmotive
DER VERDACHT (z.B. „Hamlet“ von William S. Shakespeare, „Verdacht“ von Alfred Hitchcock) UNTER FALSCHEM VERDACHT (UNSCHULDIG BESCHULDIGT) (z.B. „Auf der Flucht“ von Andrew Davis) DER BEDROHTE ZEUGE (z.B. „Der einzige Zeuge“ von Peter Weir) DAS MÖRDERISCHE DREIECK (z.B. „Wenn der Postmann zweimal klingelt“ von Bob Rafelson) KIDNAPPING (z.B. „Fargo“ von Joel und Ethan Coen) ERPRESSUNG (z.B. „Speed“ von Jan de Bont) DAS GEFÄHRLICHE GUT (z.B. „Lohn der Angst“ von Henri-Georges Clouzot) DAS GROSSE ZIEL (Big Kaper Movies oder auch Heist-Movies) (z.B. „Ocean’s Eleven“ von Steven Soderbergh) PSYCHOTERROR (z.B. „Duell“ von Steven Spielberg) PSYCHOKILLER (z.B. „Sieben“ von David Fincher)
„Der Hund, der Herr Bozzi hieß“ ist eine wundervolle, kleine Mystery-Thrillerkomödie. In ihrer Anlage ähnelt sie Frank Capras „Ist das Leben nicht schön?“: Eingeführt von einem Off-Erzähler werden neorealistische Elemente mit märchenhaften gekreuzt. Sehr schön ist auch die Kontrastierung des einzelgängerischen, profitorientierten Daseins von Rechtsanwalt Dr. Bozzi (Peter Ustinov) mit dem quirligen, teils sorgenvollen Miteinander der italienischen Bewohner.
Die Geschichte
Rechtsanwalt Dr. Bozzi (Peter Ustinov) besitzt einige Immobilien in einem Viertel Brooklyns mit vielen italienischen Zuwanderern. Mitgefühl mit seinen manchmal unzuverlässigen Mietern kennt er nicht. Gnadenlos treibt er Pacht und Schulden ein, bis er von einer alten Frau mit magischen Fähigkeiten verzaubert wird. Fortan muss er als hässlicher Hund sein Dasein fristen und lernt so das Leben von einer anderen Seite kennen. Erst die Liebe des kleinen Toni befreit ihn vom Bann. Geläutert erlangt Dr. Bozzi seine menschliche Gestalt zurück und hat alle Mühe, seine Wandlung zu verbergen.
Regie
Immer wieder überrascht Ladislao Vajda mit originellen Regieeinfällen. Da ist zum Beispiel das Fleischer-Ehepaar, das die musikalische Darbietungen des kleinen Toni zum Erwerb eines Knochens anfangs freudestrahlend unterstützt. Bei nachfolgenden Auftritten verfinstern sich ihre Mienen zusehends. Herrlich ist auch die Szene, als Bozzi in Gestalt des hässlichen Hundes, Giulias Erbschaft in Höhe von 6.000 Dollar auffrisst, um sie zu beschützen.
Übertreibungen
Von allem gibt es in „Der Hund, der Herr Bozzi hieß“ eine bisschen zu viel: Bozzi ist zu habgierig, sein Adlatus Bruno zu untertänig, Giulia zu einfältig, ihr Freund Alfonso zu schmierig usw. Auch Bozzis Entwicklung vom Saulus zum Paulus, nachdem er das Leben in der Gosse kennengelernt hat, ist zu uneingeschränkt. Andererseits tragen diese unbekümmerten Übertreibungen maßgeblich zum Charme dieses Films bei. Irgendwie ist es auch lustig, wenn Bozzi zum Beispiel – noch in Menschengestalt – hinter seiner Wohnungstür Hundegebell imitiert, um das Gesindel zu vertreiben.
Fazit
Vor allem ist dieser Film eine Hymne an die Freundschaft oder die Liebe zu anderen Menschen bzw. Lebewesen und hat damit auch etwas Zeitloses. Herzerfrischend!
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„Haus der Spiele“ ist die erste Regiearbeit von Drehbuch- und Theaterautor David Mamet. Das Ergebnis ist ein leidlich spannender Psychothriller mit einigen Überraschungen und Wendungen sowie einem katastrophalen Ende. Der Thriller punktet mit faszinierenden Einblicken in die Welt von professionellen Trickdieben, die menschliche Schwächen schamlos ausnutzen. Allerdings wirkt das Erzähltempo, selbst für damalige Verhältnisse, etwas beschaulich.
Die Geschichte
Heldin ist die erfolgreiche Psychiaterin Dr. Margaret „Maggie“ Ford (Lindsay Crouse), die einsam und unglücklich wirkt und zunehmend Zweifel am Sinn ihrer therapeutischen Arbeit hat. Ablenkung bietet ihr ein Besuch im „Haus der Spiele“, mit dem sie Billy, einen ihrer Patienten, aus der Patsche helfen will. Bei einem Pokerspiel um hohe Einsätze erkennt sie im letzten Moment, dass sie das Opfer einer Intrige werden soll. Aber jetzt ist Maggie zunehmend fasziniert von dieser Parallelwelt, vor allem von Trickster Mike (Joe Mantegna). Bei einem missglückten Betrug wird scheinbar ein Polizeibeamter erschossen. Außerdem droht Ärger mit der Mafia, weshalb Maggie mit 80.000 Dollar aushilft. Zu spät erkennt sie, dass alles wieder nur eine Inszenierung ist, um an ihr Geld zu kommen. Zutiefst verletzt erschießt sie Mike, was für sie eine befreiende Wirkung hat.
Sehr schön ist die Konzentration auf die Protagonistin, die in jeder Szene präsent ist. Allerdings taugt Maggie nicht wirklich zur Heldin. Ihr fehlen einfach die erforderlichen Voraussetzungen. Mit ihrem schrecklichen Business-Kostüm und den streng zurückgekämmten Haaren ist sie Karikatur einer gelangweilten Upperclass-Akademikerin, die sich im Grunde „einen Scheiß“ (Originalton Billy) für ihre Patienten interessiert. Leider bleibt ihr Ausflug in die Unterwelt und ihre Faszination für die zwielichtigen Gestalten das einzig Interessante. Eine Entwicklung wird ihr nicht vergönnt. Sie macht am Ende da weiter, wo sie angefangen hat. Der infantile Diebstahl eines Feuerzeugs in der Schlußszene ändert nichts am Sachverhalt.
Eigentlich wäre Mike der tauglichere Held gewesen: „Sie möchten einen Kriminellen kennenlernen, der sein Handwerk versteht?“ Ja, das hätten wir viel lieber gesehen, zumal diese Perspektive ständig Suspense generiert hätte. Er ist es auch, der unsere langweilige Heldin durchschaut: „Du bist krank und pervers!“
Ungereimtheiten
Die ganze Nummer mit dem vergessenen Koffer samt 80.000 Dollar ist äußerst merkwürdig. Bei der Überprüfung, ob es sich um sauberes Geld handelt, hätte doch ein Geldschein genügt. Was soll der Vorschlag, die gesamte Summe bei einer Bank zu überprüfen und eine Sicherheit für die anderen zu hinterlegen? Wie hätte dieser Vorgang überhaupt ablaufen sollen? Das vermeintliche Opfer holt 20.000 echte Dollar von seiner Bank (wer hat so viel Geld auf seinem Konto?), hinterlegt sie bei den anderen Findern und wandert dann wieder mit dem Geldkoffer zur Bank? So doof kann man doch nicht sein? Äußerst merkwürdig ist auch die menschenleere Lagerhalle beim Showdown am Flughafen, die die Kontrahenten zudem mühelos betreten können.
Finale
Das Ende ist ein einziges Desaster. Schlimmer geht’s eigentlich nicht. Ein erzählerischer Offenbarungseid. Es ist auch der endgültige Verrat an der falschen Protagonistin. Maggie ist nicht der Typ, der vorsätzlich, aus niederen Motiven jemand umbringt. Außerdem reduziert Mamet sie damit auf verletzte Eitelkeiten und billige Rachegelüste: „Ich will, dass du um dein Leben bettelst!“ Was für ein Blödsinn! Dem ganzen wird auch noch die Krone aufgesetzt, indem Maggie nach dem Mord regelrecht befreit, ja fast fröhlich wirkt. Mord als Therapie. Nur, wer soll das glauben?!
Polizeiarbeit
Die Zuschauer werden noch in anderer Hinsicht für dumm verkauft, und zwar wegen der nicht existenten Polizeiarbeit. Spielen wir doch mal durch, was nach Mikes Ermordung passiert wäre: Die Todesursache wäre sofort ersichtlich gewesen. Immerhin stecken sechs Kugeln in seinem Körper, wie die Obduktion ergeben hätte. Seine Tricksterkumpel hätten sich bei der Polizei gemeldet. Der Verdacht wäre innerhalb von 24 Stunden auf Maggie gefallen – die einzige mit einem Tatmotiv. Dann hätte ihr Patient Billy erzählt, dass Maggie ihm bei der letzten Therapiestunde seine Pistole abgenommen hat. Ein kriminaltechnischer Vergleich hätte innerhalb weniger Tage eine Übereinstimmung mit den Kugeln in Mikes Leichnam ergeben. Außerdem hat sie kein Alibi und wäre möglicherweise von Zeugen am Flughafen identifiziert worden. Das wär’s dann für Maggie gewesen. Aus, die Maus. Sie hätte dann nur den Vorteil gehabt, dass sie zu ihren im Gefängnis einsitzenden Patienten nicht mehr so weit laufen müsste.
Lösung
In der ganzen Geschichte geht es doch um Trickdiebe oder, wie Mike es formuliert, um das „Vertrauensspiel“. Das wäre auch die Lösung gewesen. Maggie hätte den Spieß umdrehen und die Gangster nach Strich und Faden übers Ohr hauen müssen. Damit hätte sie auch zeigen können, dass sie eine gelehrige Schülerin ist. Dann hätte sie am Ende einen Grund gehabt, sich befreit zu fühlen, aber doch nicht als Mörderin.
Fazit
Leider verspielt „Haus der Spiele“ am Ende die meisten seiner angehäuften Chips.
Fangen wir mal mit dem Positiven an: „Der Killer“ baut mit der inneren Stimme des Protagonisten, eines namenlosen Profikillers (Michael Fassbender), und seiner Visualität eine suggestive Stimmung auf. Die zieht einen, gerade zu Beginn, durchaus in den Bann. Mit der Perspektive des Helden, mit seinen Beobachtungen von Opfern und Unbeteiligten – teilweise durchs Fernrohr – macht der Thriller den Zuschauer zum Komplizen und zum Voyeur. Damit erinnert „Der Killer“ in seinen besten Momenten an „Das Fenster zum Hof“ von Alfred Hitchcock. Auch die Kameraarbeit und die Filmmusik sind exzellent. So weit, so gut.
Die Geschichte
Der Film ist in fünf Akte eingeteilt und erzählt die Geschichte eines missglückten Auftragsmordes. So gerät der Killer nun selber ins Visier seines Auftraggebers, der keine Spuren hinterlassen will. Dieser Auslöser für die Geschichte wirkt schon arg konstruiert, denn die Gefahr für den Auftraggeber und seinen wohlhabenden Kunden ist nur eine behauptete. Welche Gefahr sollte der Killer denn für die Hintermänner darstellen? Warum bekommt er keine zweite Chance, seinen Auftrag zu Ende zu führen? Der Film liefert darauf keine Antwort.
Rachefeldzug
Nun gut. Jedenfalls wird ein Anschlag auf die Datscha des Killers in der Dominikanischen Republik verübt, bei dem er dummerweise nicht anwesend ist. Dafür trifft es seine Freundin oder Haushälterin Magdalena (ihre Rolle ist unklar), die schwer verletzt wird. Jedenfalls zeigt der Killer an dieser Stelle ein einziges Mal Mitgefühl. Natürlich müssen die Urheber dieses Anschlags zur Rechenschaft gezogen werden, was sie in den nächsten Kapiteln denn auch zu spüren bekommen. Die einzige sympathische Figur dieses Films, der dominikanische Taxifahrer, wird natürlich vom Killer liquidiert.
Ungereimtheiten
Warum wird der Taxifahrer eigentlich ermordet? Wem und was sollte der denn jemandem erzählen? Warum werden die beiden „Profikiller“, die unserem Helden in der Dominikanischen Republik auflauern, nicht ihrerseits vom Auftraggeber liquidiert. Ihr Versagen ist doch viel gravierender als das unseres Killers, tödlich sozusagen. Warum benutzen diese beiden „Profikiller“ bei ihrem Anschlag ein öffentliches Taxi und kein Mietfahrzeug? Der Taxifahrer ist doch ein Zeuge, der ja dann auch plaudert. Warum machen die beiden Killer nach ihrem missglückten Anschlag nicht weiter Jagd auf unseren Helden? Warum erwarten sie ihn nicht irgendwann bei seinem Rachefeldzug? Das hätte doch die Spannung steigern können.
Exakt zweimal gerät der Killer in Gefahr. Einmal als sein Beobachtungsposten in Paris durch einen Hausverwalter aufzufliegen droht. Aber der wirft nur einen Haufen Briefe in die leerstehenden Büroräume. Beim zweiten Mal ist es immerhin ein Kampf auf Leben und Tod mit einem seiner Berufsgenossen, der auf ihn angesetzt wurde. Dieser Kampf hat es an Intensität schon in sich und ist hervorragend inszeniert. Letztlich kann der Killer ihn für sich entscheiden. Wirklich Angst hat man auch bei diesem Kampf nicht um ihn, weil der Ausgang vorhersehbar ist. Damit hat es sich dann mit den Gefahrenmomenten. Für einen Thriller ist das ein bisschen wenig. Außerdem gibt es bei seiner Jagd keine Hindernisse, die größere Probleme darstellen. Unser Killer kann sich zu jeder noch so gesicherten Behausung Zugang verschaffen. Er kennt alle Tricks, hat überall Waffenlager und gefälschte Pässe. Überraschungen? Fehlanzeige.
Figuren
Was Fincher gut macht, ist die bedingungslose Konzentration auf den Helden. Es gibt kaum eine Einstellung, in der er nicht präsent ist. Das ist super. Aber dann wieder Finchers Probleme beim Aufbau tauglicher Figuren (s. „Gone Girl“). Der Killer ist nun wahrlich kein Sympathieträger, muss er auch nicht. Aber er sollte unser Interesse oder – im besten Fall – Emotionen wecken. Er sollte nicht eindimensional sein, nicht wie hier im Stile einer Maschine agieren und reagieren. Er könnte eine Entwicklung durchlaufen und sich im Improvisieren üben wie z.B. Turner in „Die drei Tage des Condor“. Von derartigen produktiven Eigenschaften ist hier weit und breit nichts zu sehen.
Phantasiefigur
Der Killer agiert viel zu märchenhaft. Er löst alle Probleme, die sich vor ihm auftun, zwar nicht adhoc, aber unaufhaltsam und mechanisch wie ein Schweizer Uhrwerk. Emotionen können so leider nicht entstehen. Die Namenlosigkeit des Helden ist Ausdruck der Distanz, die Fincher zu seinem Protagonisten aufbaut, der Empathie für Schwäche hält. Selbst beim Epilog, als der Killer neben der genesenden Magdalena auf einer Liege ruht, gibt es keine Berührungen. Alles so kalt hier. „Schätz dich glücklich, wenn sich unsere Wege niemals kreuzen“, sagt der Killer irgendwann im Voiceover. Leider kreuzen sich unsere Wege.
Lebensweisheiten
Endlich bekommen wir mal Einblicke in die Gedankenwelt von Profikillern. „Ich bin, was ich bin“, erfahren wir gleich zu Anfang. Klingt wie eine bemühte Rechtfertigung. „Es kommt auf die Vorbereitung an“, ist eines seiner Maxime oder „Vertraue niemandem“. Abgesehen davon, dass dieses Regelwerk bei seiner Profession nicht gerade originell ist, wird es ständig ad absurdum geführt. Wenn so eine Panne passiert, dann war er eben nicht perfekt vorbereitet. Da andere Profikiller seine Datscha heimsuchen, hat er offensichtlich den Falschen seine Adresse anvertraut. Wenn er mehrmals behauptet, dass ihm alles „scheißegal“ ist, dann könnte man ja auch einen anderen Job ausüben oder wie Auftraggeber Hodges vorschlägt, mit dem verdienten Geld einfach untertauchen. Nein, es ist ihm eben nicht alles „scheißegal“, schon gar nicht das viele Geld. Nur beim Zuschauer stellt sich irgendwann dieses Gefühl ein.
Fazit
Die Protagonisten müssen keinen irdischen Beschäftigungen nachgehen, um Interesse oder Gefühle zu erzeugen. Das können auch Profikiller leisten. „Léon – der Profi“ wäre ein Beispiel. „Der Killer“ ist verlorene Lebenszeit.
Alfred Hitchcock hat mit „Der Fremde im Zug“ einen Roman von Patricia Highsmith nach einem Drehbuch von Raymond Chandler verfilmt. Schon eine illustre Riege, die sich seinerzeit eingefunden hat. Namen und Qualität des Psychothrillers lassen nichts vom Streit zwischen Regisseur und Drehbuchautor ahnen. Tatsächlich war Hitchcock derart unzufrieden, dass er Chandler im Laufe der Vorbereitungen von seinen Aufgaben entbunden hat. Die Arbeit eines Drehbuchautors unterscheidet sich eben fundamental von der eines Krimiautors. Zwei verschiedene Paar Schuhe. „Schuster bleib’ bei deinem Leisten“, war Hitchcocks Resümee dieser Zusammenarbeit. Patricia Highsmith hat sich Zeit ihres Lebens wohlweislich nie an Drehbüchern versucht.
Aber werfen wir doch mal einen Blick auf Chandlers Charakterisierung des Antagonisten Bruno Antony (Robert Walker): „He wears his expensive clothes with the tweedy nonchalance of a young man who has always had the best.“ Das ist schon super. Mit wenigen Worten erweckt Chandler eine Figur zum Leben. Wir können sie uns vorstellen. Eine gute Charakterisierung handelt eben nicht von Äußerlichkeiten, sondern von Eigenschaften. Überhaupt ist Bruno, der intelligente Soziopath, die mit Abstand stärkste Figur. Sein ständiges Changieren zwischen Rafinesse und Wahnsinn ist schon faszinierend. Das Böse zieht uns eben mehr in den Bann als das Gute, das Langweilige. Zusammen mit seiner Mutter geben sie das Duo Infernale. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.
Ein weiteres Highlight ist Barbara Morton, die jüngere Tochter des Senators (gespielt von Hitchcocks leibhaftiger Tochter), die stets sagt, was sie denkt. Zum Beispiel vertraut sie ihrer älteren Schwester Anne (Ruth Roman) schon bei den ersten routinemäßigen Ermittlungen gegen Guy Haines (Farley Granger) an, dass sie immer von einem Mann geträumt hat, der ihretwegen einen Mord begeht. Damit schürt sie natürlich den leise keimenden Verdacht ihrer Schwester. Mit diesen drei Figuren demonstriert Alfred Hitchcock, dass er das Spiel (Spielfilm) verstanden hat wie kaum ein anderer: Ein hemmungsloses Lustwandeln zwischen zwischen Gemeinheiten, Abgründen und schwarzem Humor.
Die Geschichte
Die Story um einen „perfekten Mord“ wurde unzählige Male variiert und kopiert und dürfte bekannt sein: Bruno Antony trifft scheinbar zufällig im Zug auf den Tennisspieler Guy Haines. Aus den Klatschspalten weiß er, dass Guy mit der attraktiven Tochter des Senators liiert ist. Leider will dessen Ehefrau sich nicht scheiden lassen. Ein perfektes Opfer für Brunos perfiden Plan: Zwei Morde über Kreuz. Jeder bringt den unliebsamen Verwandten des anderen um. Bei Bruno ist es der verhasste Vater. Guy nimmt den wahnsinnigen Plan erst ernst als Bruno sozusagen in Vorleistung geht, womit er sich mitten im Schlamassel befindet. Soweit die Exposition der Geschichte, die außerdem jede Menge Wendungen und Überraschungen in petto hat.
Visualität
„Der Fremde im Zug“ ist toll fotografiert (Kamera: Robert Burks) und hat für seine Zeit erstaunlich viele Nahaufnahmen. Der Thriller ist mit brillanten Regieeinfälle gespickt, zum Beispiel wenn Bruno beim Tennismatch zuschaut: Hunderte von Augenpaaren wandern von links nach rechts und wieder zurück. Nur Bruno starrt in eine Richtung, nämlich auf sein Opfer. Das ist sein Interesse, nicht das Spiel. Wenn Guy beim finalen Tennismatch in drei Sätzen gewinnen muss, um rechtzeitig am Tatort zu sein, dann wird die Spannung bis zum Exzess retardiert. Immer wieder schneidet Hitchcock zwischen dem Spiel und Brunos Fahrt zum Rummelplatz hin und her. Dort will er nämlich Guys Feuerzeug als belastendes Beweismittel deponieren. Zusätzlich wird dieser Wettlauf mit dem Verlust des Feuerzeugs, das Bruno in einen Gully fallen lässt, gnadenlos auf die Spitze getrieben. Ein Lehrstück in Sachen Suspense.
Schwachpunkte
Es gibt drei Schwachpunkte in „Der Fremde im Zug“. Wenn beim Showdown die beiden Polizisten auf Guy schießen und damit das Karussell beschädigen, sollten sie einen Grund haben. Ein Verdächtiger auf der Flucht ist ein bisschen wenig. Hier wäre eine vermeintliche Notwehrsituation die Lösung gewesen. Dann ergreift Anne viel zu schnell Partei für ihren immerhin in Mordverdacht geratenen Geliebten. Hier hätte man das Drama eskalieren müssen, so wie Hitchcock selber es in „Der Verdacht“ demonstriert hat. Die Freundin, die sich zu allem Übel auch noch gegen ihn wendet, hätte Guys Schwierigkeiten maximiert. Damit sind wir beim dritten Manko. Das ist die Figur des Guy Haines, der gerade im Kontrast zu seinem Gegenspieler doch arg blass wirkt. Ihm mangelt es an Originalität und Schlitzohrigkeit.
Fazit
Insgesamt tun die Schwächen dem Vergnügen keinen Abbruch. Null Punkte auf der Defätismusskala sind ein zusätzlicher Beleg: Pures Kinovergnügen!
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Dieser exzellente Thriller von Ridley Scott hat zwei entscheidende Vorteile. Zum einen beruht er auf tatsächlichen Begebenheiten in den USA der 70er Jahre. Ansonsten würde man die teilweise haarsträubenden Geschehnisse wohl als kompletten Unfug abtun. Wer würde schon glauben, dass man große Mengen Heroin in den Särgen gefallener US-Soldaten ins Land schmuggeln kann? Ridley Scott weiß um die dramatische Kraft derartiger Vorlagen (s. „Black Hawk Down“, „Alles Geld der Welt“ oder „The Last Duel“). Zum zweiten konzentriert er sich in „American Gangster“ ganz auf seine beiden interessanten, prägnanten Charaktere und verzichtet auf vordergründige Action – und das in einem Gangsterthriller.
15 Jahre hat Frank Lucas (Denzel Washington) als Fahrer für den Gangster „Bumpy“ gearbeitet. Das war seine Schule. Nach dessen Ableben baut Frank sich – Stück für Stück – ein eigenes Imperium auf. Das funktioniert auch, weil niemand den Schwarzen aus Harlem auf dem Zettel hat. American Gangster sind seinerzeit eher italienischer oder irischer Abstammung. Parallel zum Aufbau seines Drogenhandels wird immer wieder die Entwicklung des Rauschgiftfahnders Richie Roberts (Russell Crowe) montiert. Der findet in einer Anfangssequenz zusammen mit seinem Partner eine Million Dollar nicht nummerierter Geldscheine im Kofferraum eines Verdächtigen. Anstatt sie zu behalten, liefert er sie brav auf dem Revier ab. Damit ist er bei seinen Kollegen unten durch. Ein ehrlicher Cop passt einfach nicht ins System. Das ist originell und verrät einiges über Korruption in amerikanischen Sicherheitsbehörden (nicht nur der 70er Jahre, s. „City of Lies“) und über Richies Charakter: eigensinnig, stur und unbestechlich. Sehr schön. Diesen beiden Figuren folgt man gern durchs spannende Geschehen.
Eigentlich vertreten die Polizisten die Werte der Gangster und umgekehrt. Originalton Frank: „Das wichtigste in diesem Geschäft: Ehrlichkeit, Anstand und Fleiß“. Originalton Detective Trupo (Josh Brolin): „Zum ersten jeden Monats wollen wir 10.000 Dollar auf dem Konto.“ Allerdings begeht Frank einen kleinen Fehler, als er versucht, Richie zu bestechen. Das ist nicht besonders clever, denn die Geschichte mit der zurückgewiesenen Million hat sich auch bis zu den Gangstern rumgesprochen. Nur reicht die Phantasie der „American Gangster“ nicht aus, an die Unbestechlichkeit eines Menschen zu glauben. Selbst in der Untersuchungshaft versucht Frank noch, Richie zu ködern und beißt auf Granit. Erst da kapiert er, dass ihm eigentlich nur noch ein Ausweg bleibt: die bedingungslose Kooperation mit der Polizei. Und wenn einer korrupte Polizisten ans Messer liefern kann, dann ist es Frank.
Eigentlich gerät Richie Roberts nie wirklich in Gefahr. Es gibt anfangs eine Situation als er seinen drogensüchtigen Partner vor einem aufgebrachten Mob rettet. Aber das war’s dann. Die Frage, inwieweit man tatsächliche Begebenheiten zugunsten der Dramatik verändern darf, ist schon an anderer Stelle ausführlich behandelt worden (s. „Der Spion„). Nach Franks gescheiterten Bestechungsversuchen hätte eigentlich eine härtere Gangart folgen müssen – nach dem Motto: Du möchtest doch nicht, dass deinem Jungen in Las Vegas etwas zustößt? Immerhin wird Frank im Beisein seiner Frau ein Mal aus einem fahrenden Wagen heraus beschossen. Das ist angesichts der Tatsache, dass er eingefleischten italienischen Mafiosi das Geschäft mit dem Heroinhandel streitig macht, erstaunlich wenig.
Es gibt einige interessante Statements. So hat Frank u.a. folgende Lebensweisheit parat: „Der lauteste im Raum ist immer der schwächste.“ Ein einziges Mal verstößt er gegen seine eigene Regel, als er in einem luxuriösem Pelzmantel zum Boxkampf geht. Es ist einmal zu viel, denn das bringt Richie auf seine Spur. Mafiaboss Dominic Cattano hat folgende Weisheit parat: „Entweder man ist erfolgreich, dann hat man Feinde oder man ist erfolglos, dann hat man Freunde.“ Damit prognostiziert er Frank auch, was ihn in der Zukunft erwartet.
Finale
Am Ende wird der Rollentausch vollzogen: Gangster Frank Lucas ist Mitarbeiter der Polizei. Detective Trupo begeht Selbstmord mit seiner Dienstwaffe. Richie scheidet aus dem Polizeidienst aus und arbeitet als Rechtsanwalt. Sein erster Klient ist kein Geringerer als Frank, dem er eine vorzeitige Haftentlassung verschafft. Im Rolltitel des Abspanns erfahren wir weitere unglaubliche Details. So bestand drei Viertel der New Yorker Drogenbehörde aus korrupten Polizisten!
„Die drei Tage des Condor“ von Sydney Pollack ist ein Spionagethriller, der von seiner Ibsenschen Enthüllungsdramaturgie und seiner atmosphärischen Dichte lebt. Unter dem Decknamen „Condor“ arbeitet Joseph Turner (Robert Redford) für eine Sektion des CIA, die fiktionale politische Intrigen erfasst und auswertet. Leider ist die Realität schon längst weiter, wodurch die gesamte Abteilung zu Mitwissern finanz- und geopolitischer Machtspiele wird. Hausintern sind sie einer anderen Abteilung unwissentlich auf die Füße getreten. Alle Mitarbeiter der Abteilung werden vom Auftragskiller Joubert (Max von Sydow) und seinen Leuten liquidiert. Lediglich Turner entkommt durch puren Zufall. Ahnungslos wendet er sich an seine Vorgesetzten, womit die Jagd auf ihn eröffnet ist.
Das ist schon eine exzellente dramaturgische Ausgangssituation: Der isolierte Held auf der Flucht vor einem übermächtigen Gegner. Sein Zuhause ist eine tödliche Falle. Vertrauen kann er niemandem mehr. Sein Freund Sam wird als Köder missbraucht und ebenfalls getötet. Erschwerend kommt hinzu, dass Turner nie im Außendienst war, sich also weder mit Waffen noch mit Fluchtszenarien auskennt. Diese Konstellation ist ein dramaturgisches Lehrstück. Schwerer kann man seinem Helden das Leben kaum machen. Für Killer Joubert ist Turner ein unberechenbarer Amateur. Dessen Talente liegen auf anderem Gebiet. Turner ist intelligent, einfühlsam, anpassungsfähig und kennt sich mit Fernmeldetechnik aus. Mit diesen Mitteln schlägt er dann zurück – seine einzige Chance, am Leben zu bleiben.
Liebesgeschichte
Die Fotografin Kathy Hale (Faye Dunaway) ist eine Zufallsbekanntschaft. Turner bedroht sie mit seiner Pistole und hakt sich einfach bei ihr unter. Als Pärchen getarnt kann er seinen Verfolgern entkommen. Anfangs fesselt und knebelt er sie. Selbst im Schlaf bedroht er sie mit einer Pistole. Erst nach und nach fassen sie Vertrauen zueinander, bis sie ihm bei seinen Ermittlungen hilft. Turners schonungslose Art bringt sie einander näher. Ihre Fotos an den Wänden findet er deprimierend. Für ihn sind sie Ausdruck einer Nähe zum Tod. Das ist auch der Vorwurf an sie: Ihr Interesse an seiner Person basiert auf seinen eingeschränkten Überlebensmöglichkeiten. Aber für Kathy ist er der Mann, mit dem sie ihr Leben verbringen möchte.
Die unmögliche Liebe
Das ist die Tragik ihrer Liebesbeziehung: Beide fühlen sich zueinander hingezogen und wissen doch um die Unmöglichkeit einer Beziehung. Spätestens nach dem Besuch eines als Postboten getarnten Killers weiß Turner, dass er Kathy in Lebensgefahr bringt. Schön ist das Ende der Liaison. Beide trennen sich am Bahnhof. Es gibt ein paar Tränen, aber das war’s dann. Kein Ethan Hunt, dem nach der Rettung der Welt die weibliche Protagonistin in die Arme sinkt. Das ist schön. Es verleiht dem Film auch etwas Modernes: Beziehungen sind etwas Flüchtiges und Brüchiges, kein Fundament, auf dem man sein Leben aufbauen kann.
Ungereimtheiten
Leider gibt es eine Reihe von Ungereimtheiten. Warum tötet Joubert sein Opfer nicht, als sie gemeinsam im Hotel mit dem Fahrstuhl runterfahren? Nachdem andere Hotelgäste den Aufzug verlassen haben, sind sie ja eine Zeit lang allein. Seltsam ist auch der fingierte Selbstmord an CIA-Abteilungsleiter Atwood, bei dem Turner wiederum ungeschoren davonkommt. Angeblich hat sich hausintern das Blatt gewendet und der Auftraggeber des Massakers an Turners Kollegen steht nun selbst auf der Abschussliste. Sehr merkwürdig. In jedem Fall ist Turner doch ein gefährlicher Mitwisser. Ein Wissen, das er ja im Finale auch einsetzt, um am Leben zu bleiben.
Showdown
Angeblich hat Turner die ganzen Geschehnisse aufgeschrieben und der New York Times zugeschickt. Die Presse als Lebensversicherung. Das Ende ist offen. Ob sein Plan aufgeht, erfahren wir nicht. Aber das passt zur Philosophie von „Die drei Tage des Condor“, der im Zuge des Watergate-Skandals nicht die äußeren Gefahren beschreibt, sondern die, die von den inneren Sicherheitsorganen ausgehen. Originalton Turner: „Vielleicht gibt es eine CIA im CIA?“ Gefahren, die auch Thriller wie „Scorpio“, „Safe House“ oder „Kill the Messenger“ beschreiben.
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Mit „Deepwater Horizon“ widmet Peter Berg sich einmal mehr der Verfilmung von tatsächlichen Begebenheiten. Und er hat ein Händchen dafür. Wie er Figuren und Lebensabschnitte einführt, Dialoge und Filmmusik einsetzt und kontinuierlich Spannung aufbaut, ist schon gekonnt. Brillant ist die Charakterisierung des Protagonisten, Chefelektriker Mike Williams (Mark Wahlberg), indem wir Zeuge eines Aufsatzes werden, den seine kleine Tochter über den Beruf ihres Vaters verfasst hat. Wie in vergleichbaren sogenannten Katastrophenfilmen ist der Unglücksfall als bekannt vorauszusetzen. Niemand schaut sich ja zum Beispiel einen Film wie „Titanic“ an, um sich davon zu überzeugen, ob der Ozeandampfer tatsächlich Schiffbruch erleidet. Es geht also um andere Dinge.
Story
In „Deepwater Horizon“ sind wirtschaftliche Interessen multinationaler Konzerne (hier: BP) der Auslöser für die Katastrophe. „Wir sind 43 Tage in Verzug“, lautet das Mantra von Manager Donald Vidrine (John Malkovich). Mit diesem aufgebauten Druck, der letztlich zum „Blowout“ führt, werden elementare Sicherheitsstandards ignoriert. Damit wird nicht nur das Leben von 126 Mitarbeitern der Bohrinsel billigend in Kauf genommen, sondern auch eine ökologische Katastrophe nie da gewesenen Ausmaßes. Aus diesem Konflikt bezieht der Thriller sein dramatisches Potenzial: Geld versus Vernunft. Der Ausgang ist bekannt. „Alles, was angeblich nie passieren könnte, ist passiert“, resümiert Mike das Geschehen. Insofern ist dieser Thriller auch eine Parabel über rücksichtslose Geldgier, ein Mahnmal menschlichen Irrsinns. Sing noch mal den „Money-Song“ fordert Mike seine Kollegen auf, die dem gern nachkommen.
Schwachpunkte
Im Grunde ist „Deepwater Horizon“ ein gut gemachter Dokumentarfilm. Was fehlt, ist eine Geschichte wie in „Lone Survivor“ oder „Titanic“. Natürlich gerät Protagonist Mike in existenzielle Gefahr, aber nicht in einen inneren Zwiespalt. In „Lone Survivor“ muss der Held anfangs eine Entscheidung treffen: Sollen wir die beiden Ziegenhirten, Zeugen ihrer geheimen Operation, eliminieren oder laufen lassen? Es ist eine Entscheidung über Leben und Tod mit weitreichenden Folgen, wie sich herausstellen soll. Gerade weil er die Zeugen freilässt, sich menschlich verhält, beschwört er das Drama herauf. Deshalb fühlen wir mit ihm. Deshalb ist er unser tragischer Held, der Schuld auf sich geladen hat (Hegel).
In „Deepwater Horizon“ trifft Mike keine Entscheidungen, die dramatische Konsequenzen zur Folge haben. Er hat keine Schuld an den Gegebenheiten. Verantwortlich sind BP und ihre Handlanger. Insofern die Frage, ob nicht Donald Vitrine ein viel tauglicherer Held gewesen wäre? Mike Williams ist das Opfer von betriebswirtschaftlichen Umständen, in die er sich mehr oder weniger freiwillig begeben hat. Mehr aber nicht.
Dieser Rachethriller von László Benedek punktet mit seiner atmosphärischen Dichte, seiner Visualität und einem minutiös erzählten Gefängnisausbruch, der in der Filmgeschichte seinesgleichen sucht. Schon die ersten Bilder stimmen auf die düstere und kalte Atmosphäre des Films ein, was gleichzeitig eines seiner Defizite ist: Der Protagonist Salem (Max von Sydow) läuft nachts in Unterwäsche durch eine schneebedeckte Landschaft auf einen Ort zu. Dort entwendet er im Hause seines Schwagers, des Landarztes Dr. Arthur Jenks, einen Schlips und ein Spritzbesteck mit Chloroform. Anschließend steigt „Der unheimliche Besucher“ in das Haus seiner ehemaligen Freundin Britt und erwürgt sie.
Vorgeschichte
Nach und nach erfahren wir von den zurückliegenden Ereignissen: Vor Jahren lebte Salem mit seiner Schwester Ester (Liv Ullmann) und seinem Schwager auf einem Hof. Letztere planten einen Versicherungsbetrug, bei dem der ganze Hof in Brand gesteckt werden sollte. Ein Landarbeiter, zufälliger Zeuge der Verschwörung, wurde von Dr. Jenks erschlagen. Beweismittel wurden manipuliert und belasteten Salem. In einem Indizienprozess wurde er für schuldig befunden. Sein Anwalt plädierte auf Unzurechnungsfähigkeit, weshalb Salem in eine nahe gelegene psychiatrische Anstalt eingewiesen wurde. Dort klügelte er im Laufe von zwei Jahren einen raffinierten Racheplan aus. So weit die Vorgeschichte.
Geschichte
In der Anstalt gewinnt Salem das Vertrauen eines Wärters. Damit verbundene Freiheiten nutzt er für einen Fluchtplan, der ihm auch eine Rückkehr ermöglicht. Das perfekte Alibi: Ein Gefängnisinsasse kann außerhalb der Mauern keinen Mord verüben. Doch genau das macht Salem und hinterlässt am Tatort Indizien, die den Verdacht auf Dr. Jenks lenken. Bei seinem zweiten Ausbruch rächt er sich an Ester, beim dritten muss sein ehemaliger Anwalt dran glauben. Dabei versucht Salem jedes Mal, den Verdacht auf seinen Schwager zu verstärken. Derart in die Enge getrieben gesteht Dr. Jenks schließlich den Mord am Landarbeiter und die Manipulation von Beweismitteln. Sehr schön ist die Schlusspointe, die Salem doch noch überführt. Es ist der vermisste Papagei, der bei der Durchsuchung seiner Zelle anfängt zu plappern. Der hatte sich in einem Mantel versteckt, den „Der unheimliche Besucher“ bei seinem letzten Ausbruch im Hause seines Schwagers als Schutz vor der Kälte mitgenommen hat.
Schwachpunkte
Im Grunde gibt es keinen Sympathieträger. Die Ermordung mehrerer unsympathischer Personen wirkt nicht weiter dramatisch. Außer bei seinen Ausbrüchen kann man sich auch für Salem nicht weiter erwärmen. Zudem sorgt eine Fülle von Ungereimtheiten für unproduktive Irritationen. Wieso wurde die Tatwaffe beim Mord am Landarbeiter nicht nach Fingerabdrücken untersucht? Schwer zu glauben, dass ein bisschen Blut an Salems Jackett zur Verurteilung ausreicht? Was ist mit einem amtsärztlichen Gutachten? Was ist mit seiner Unschuldsbeteuerung? Hat er kein Alibi? usw. Überhaupt zeigt sich die Polizei unter Leitung ihres Inspektors (Trevor Howard) sehr empfänglich für Beweismanipulationen, was sie nicht besonders clever erscheinen lässt. Spurensicherer sind zu keiner Zeit an den verschiedenen Tatorten aktiv. Auch die Presse scheint die Ermordung von drei Frauen innerhalb kurzer Zeit nicht zu interessieren. Wieso ermordet Salem überhaupt seine ehemalige Freundin? Über ihre Mitschuld darf man allenfalls spekulieren.
Fazit
Schade, insgesamt überlagern die erzählerischen Einfältigkeiten die visuelle Kraft dieses doch etwas angestaubten Thrillers. Immerhin: Jeder, der diesen Gefängnisausbruch gesehen hat, wird ihn nicht mehr vergessen.
Die „Transsiberian“ kommt schwerfällig wie eine Dampflokomotive in die Gänge. Zu Beginn wird suggeriert, dass die russische Hafenstadt Wladiwostok ein Einfallstor für den Schmuggel harter Drogen ist. Tatsächlich kommen sie über den Landweg, über Afghanistan und Kasachstan, zur Durchreise ins russische Reich. Das kann man in einem Spielfilm zugunsten der Dramatik oder einer attraktiven Location ignorieren. Zumindest letzteres ist mit der Transsibirischen Eisenbahn und der winterlichen Tundra vorhanden. Ansonsten ist das konstruierte Opening programmatisch.
Hobbyfotografin Jessie bringt mit ihrer Zerbrechlichkeit und ihrer dunklen Vergangenheit noch die besten Voraussetzungen für eine veritable Protagonistin mit. Aber insgesamt sind wir zu wenig bei ihr und erfahren zu wenig von ihr. Immer wieder sorgen alternierende Handlungsstränge für Distanz. Alle anderen Figuren sind wenig originell. So verhält sich der mitreisende Drogendealer Carlos großspurig und übergriffig, wozu er eigentlich keinen Grund hat. Im Gegenteil. Als Besitzer einer beträchtlichen Menge Heroins und von geraubten Drogengeldern sollte er sich eher unauffällig und still verhalten. Immerhin bringt er Jessie derart in Bedrängnis, dass sie ihn im Affekt tötet.
Ihr gutmütiger, spießbürgerlicher Ehemann Roy (Woody Harrelson) mutiert bei ihrer Flucht zum furchtlosen Gewalttäter. Das nimmt man ihm genauso wenig ab wie die zur Schau getragene Harmlosigkeit von Abby, der Freundin von Carlos. Und siehe da: Am Ende hat sie das Drogengeld. Inspektor Grinko (Ben Kingsley) arbeitet, was eigentlich niemanden wundert, nur pro forma für die Polizei. Tiefer gehende Emotionen können bei diesen Abziehbildern nicht entstehen.
Ungereimtheiten
Völlig absurd wird das ganze Geschehen, als Grinko und seine Leute mehrere Waggons der „Transsiberian“ einfach abkoppeln. Dafür gibt es genauso viel oder wenig Gründe wie für das Verhalten von Dealer Carlos. Subtilität gehört offensichtlich nicht zum Repertoire der Filmemacher. Das eigentliche Ziel von Grinko und seinen Leuten sind doch Informationen über den Verbleib der geraubten Drogengelder, die sie sich von Abby und Jessie erhoffen. Aber dafür bedarf es doch nicht der Entführung eines Zugteils mit anschließendem Zusammenprall der abgehängten Waggons. Das Headquarter der Gangster um Grinko, ein verlassenes Militärgebäude, mutet wie ein Relikt aus einem Science-Fiction von Jules Verne an. Die fahrlässige Bewachung von Jessica und Roy diskreditiert die Antagonisten. So doof kann man doch eigentlich nicht sein? Dazu Alfred Hitchcock: „Je gelungener der Schurke, desto gelungener der Film.“
Lösungen
Gleich in medias res. Die Story von „Transsiberian“ hätte auch im Zug beginnen müssen. Das Verschwinden von Roy ist eine hübsche Idee und sorgt für Spannung, nicht aber sein erneutes Auftauchen. Gerade sein dauerhaftes Ausscheiden hätte Jessies Probleme doch eskaliert. Darum müsste es doch gehen. Die Gangster Carlos und Grinko hätten sich zurückhaltend, geheimnisvoll und intelligent verhalten sollen. So punkten in erster Linie gelegentliche Spannungsmomente und die „Transsiberian“, die sich fast unaufhaltsam ihren Weg durch die verschneite Landschaft bahnt.
„Der unverhoffte Charme des Geldes“ ist eine schräge, originelle Robin-Hood-Variante – ein Stelldichein von Losern, Obdachlosen, Models, Gangstern und Finanzgenies. Held ist Pierre-Paul Daoust, ein promovierter Philosoph, der als Paketbote arbeitet. Der Widerspruch in Person, eher unbeholfen und linkisch. Nur an Obdachlosen, für die er sich ehrenamtlich engagiert, geht er nie vorbei, ohne etwas zu spenden. Das Materielle ist ihm scheinbar nicht so wichtig. Aber an zwei Reisetaschen voller Geld, die ihm als Überbleibsel eines Raubüberfalls buchstäblich vor die Füße fallen, geht er dann doch nicht vorbei. Und damit nimmt die Geschichte ihren Lauf.
Figuren
Im Grunde ist Pierre-Paul mit seinem Fund völlig überfordert und bunkert seinen Schatz erst mal in einem Mietcontainer. Ein bisschen zwackt er natürlich für elementare Bedürfnisse ab, zum Beispiel Sex mit einer Frau. So trifft er auf die Edelprostituierte Camille Lafontaine, in die er sich verliebt. Sie ist die zweite im Bunde, der dritte ist das Finanzgenie Sylvain Bigras, genannt „The Brain“. Den weiht Pierre-Paul in seinen Fund ein, damit der ihn zweckmäßig verwaltet. Zusammen mit dem Finanzmogul Wilbrod Taschereau und einer Bankangestellten ist das Quintett vollständig. Sehr schön ist die Verkettung der ins Spiel gebrachten Personen: Ohne die Aneignung des Geldes hätte Pierre-Paul keinen Kontakt zu Camille aufgenommen. Ohne Camille wäre ein Kontakt zu Wilbrod, einem ihrer Ex-Kunden, nie zustande bekommen usw. Alles fügt sich. Nur dieses skurrile Quintett ist in der Lage, den Coup durchzuziehen. Auch die sonstigen Figuren sind nicht minder originell und ebenso hervorragend gecastet.
Genre
Wikipedia und FAZ klassifizieren „Der unverhoffte Charme des Geldes“ als Krimikomödie, der „Filmdienst“ gar als Drama. Nichts davon stimmt. Scheint doch schwieriger zu sein, einen Spielfilm seinem Genre zuzuordnen? Da von Anfang an die Identität des Täters feststeht, geht es mitnichten um die Aufklärung eines Verbrechens. Also, ein Krimi ist es definitiv nicht. Ein Drama schon gar nicht. Da der Held durch seine Aneignung zweier Reisetaschen voller Geld von Anfang an in Gefahr gerät und der komödiantische Grundtenor sich bis zum Ende durchzieht, handelt es sich um einen Genremix aus Thriller und Komödie, also um eine Thrillerkomödie.
Schwachpunkte
Da die Polizei Pierre-Paul verdächtigt, im Besitz des Geldes zu sein und auf Schritt und Tritt observiert, fragt man sich, wieso das Ver- und Ausgraben der Geldscheine nicht beobachtet wird? Überhaupt machen die Ermittler keinen besonders gefährlichen Eindruck. Sie sind zwar eifrig bemüht, kommen aber immer zu spät, zum Beispiel bei der finalen Geldverteilung des Quintetts an Steuerflüchtige. Noch gravierender ist die fehlende Gefahr, die von den Besitzern des geraubten Vermögens ausgeht. Die Mafiosi foltern zwar einen der jugendlichen Gangster des Raubüberfalls, lassen Pierre-Paul und Camille aber ungeschoren. Dieses dramatische Potenzial darf man sich eigentlich nicht entgehen lassen. Vor allem wirkt die Ermordung des konkurrierenden Gangsterbosses Vladimir kontraproduktiv. Von wem wollen die Mafiosi denn jetzt das Geld zurückbekommen? Was hat die Kripo davon, wenn sie am Ende Wilbrod mit einem minderjährigen Model eine Falle stellt? Der Ruf des Finanzmoguls ist zwar ruiniert, aber strafrechtlich wird es schwierig, ihn zu belangen, wie er die Polizisten auch sofort belehrt: „Die Reichen und Mächtigen entkommen der Justiz“.
Lösungen
Vor dem Vergraben des Geldes hätte man nur zeigen müssen, wie Pierre-Paul und seine Freunde sich ihrer polizeilichen Verfolger entledigen. Das Ermittlerduo hätte ruppiger und durchtriebener agieren können. Es hätte zum Beispiel versuchen können, einen Keil zwischen das Quintett zu treiben. Wie wär’s denn gewesen, wenn sie Pierre-Paul mit einem angeblichen Geständnis von „The Brain“ erpresst hätten? Wie wär’s denn gewesen, wenn die Mafiosi mit Hilfe eines Informanten bei der Polizei Pierre-Paul auf die Spur gekommen wäre? Das hätte seine Schwierigkeiten multipliziert. Ohne erzählerische Konsequenzen ist die finale Falle für Wilbrod überflüssig. Eigentlich wäre es viel schöner gewesen, wenn das Model tatsächlich ein Geschenk von Camille gewesen wäre, natürlich ein volljähriges.
Fazit
Das märchenhafte Happy End passt zur komödiantischen Atmosphäre von „Der unverhoffte Charme des Geldes“. Es ist sehr berührend und brillant inszeniert, wenn Pierre-Paul und Camille am Ende dem obdachlosen Jean-Claude eine Wohnung zur Verfügung stellen. Hier wird auch die Philosophie von Denys Arcand extrahiert: Das rücksichtslose Zusammenraffen von Geld macht weniger glücklich als eine sinnvolle Umverteilung. Vergesst die Schwachen nicht! Das ist auch die Botschaft der eindrucksvollen Schlussbilder, die Gesichter von echten Obdachlosen zeigen, in denen sich die Kehrseite eines Lebens im Wohlstand widerspiegelt.
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